1 von 500 Erwachsenen in Europa ist Kinderkrebsüberlebende/r. Viele erleben noch lange nach Ende der Behandlung gesundheitliche Folgen. Bei einem Symposium am 25. und 26. September in Wien tauschten sich ExpertInnen und Survivors über diese Spätfolgen aus.
Die Idee, einen Informationstag über langfristige Auswirkungen von Krebstherapien im Kindesalter zu gestalten, kursierte unter den Survivors Österreich schon länger. Riesig war deshalb die Freude der Survivors, heuer das erste österreichische Symposium über Spätfolgen mit dem Titel „Was mich noch interessieren würde …“, realisieren zu können. Als gebührender Auftakt fand am 25. September in der eindrucksvollen TU Sky Lounge die Willkommensveranstaltung für Survivors und Angehörige statt. Hier war Zeit zum informellen Kennenlernen, bevor am 26. September beim Symposium der Wissensaustausch mit ExpertInnen der Kinderonkologie auf dem Programm stand.
Information aus erster Hand
Knapp 100 wissbegierige TeilnehmerInnen füllten den Veranstaltungsraum des JUFA Wien City. Die Koordinatorin des Symposiums, Survivorin Elisabeth Cate, betonte in ihrer Begrüßung die Wichtigkeit von Information zum Thema Spätfolgen: „Dass wir vor einem Monat bereits ausgebucht waren, zeigt, dass dieses Thema nicht nur uns Organisatorinnen wichtig ist.“ Rund 84 % aller KinderkrebspatientInnen in Österreich werden geheilt, lediglich ein Drittel davon hat keine Spätfolgen. Bei der Mehrzahl der Betroffenen treten aber oft noch Jahre nach der Therapie gesundheitliche Folgeerscheinungen auf. „Die Behandlung selbst war nur ein kleiner Teil. Mit den Folgen meiner Erkrankung, mit denen ich nun leben muss, kämpfe ich am meisten. Sie werden mich wohl immer beschäftigen“, so eine Grazer Survivorin.
Wissen ist Macht
Beim Symposium konnten sich Survivors Wissen am aktuellsten Stand der Medizin direkt von NachsorgeexpertInnen aus ganz Österreich holen. Über drei Stunden lang sprachen sieben MedizinerInnen und PsychologInnen über Spätfolgen, die nach verschiedenen Krebserkrankungen und Behandlungen auftreten können – bitte siehe Kasten – und gaben medizinische Empfehlungen für Survivors. Früherkennung sei besonders wichtig, um erfolgreich behandeln zu können. Die ExpertInnen verbanden ihre Vorträge deshalb auch mit dem Appell an Betroffene, bestehende Nachsorgeangebote der Kliniken wahrzunehmen und sich über Spätfolgen zu informieren. „Je mehr Sie über mögliche Folgen Ihrer Behandlung wissen, desto mehr können Sie selber tun“, so Dr. Eva Frey, Nachsorge-Spezialistin am St. Anna Kinderspital in Wien. Jeder Survivor hat sein eigenes Risikoprofil an gesundheitlichen Spätfolgen, die auftreten können. Dieses Puzzle setzt sich zusammen aus der ursprünglichen Erkrankung, der individuellen Chemotherapie und Bestrahlung. Dementsprechend empfehlen die ExpertInnen auch unterschiedliche Vorsorgemaßnahmen. Dr. Roman Crazzolara, Kinderonkologe an der Klinik Innsbruck betont: „Die Zukunft der Behandlung von Krebs und der Spätfolgen liegt darin, die DNA der PatientInnen heranzuziehen und eine individuelle Therapie zu verfolgen. Das ist mit Sicherheit der erfolgreichste Weg, bis wir dort sind, wird es aber noch dauern.“
Das ist hier die Frage!
Im Fokus des Nachmittages stand die interaktive Gesprächsrunde zwischen ExpertInnen und TeilnehmerInnen. Diese bot Gelegenheit, individuelle Fragen an die MedizinerInnen und PsychologInnen zu richten. Die vollgefüllte Fragebox zeigte: Survivors haben viele Fragen zu Spätfolgen und möchten diese auch beantwortet wissen, von ganz allgemeinen Anliegen bis hin zu solchen bezüglich wichtiger Lebensentscheidungen, wie zum Beispiel Familienplanung. Die Frage: „Wer hilft mir bei Spätfolgen, an wen kann ich mich wenden und wer ist zuständig, wenn ich erwachsen bin?“ macht deutlich, dass sowohl die Nachsorge – medizinische und psychosoziale Unterstützungsangebote nach einer pädiatrischen Krebsbehandlung – als auch die Transition – der Übergang von der Kindermedizin in die Erwachsenenmedizin – in Österreich stärker implementiert werden müssen. Wenngleich einige Kliniken Nachsorgeangebote anbieten, scheinen diese nicht den vollen Bedarf zu decken: „Ich beschäftige mich erst jetzt näher mit meinen Spätfolgen und merke, dass mir Gespräche darüber in der Zeit der Nachsorge sehr gefehlt haben“, erklärte eine Survivorin. Die Österreichische Kinder-Krebs- Hilfe baut seit Jahren ihre Angebote der psychosozialen Nachsorge aus. Welche es konkret für Survivors gibt, führt Anita Kienesberger, Geschäftsführerin der Österreichischen Kinder- Krebs-Hilfe, aus. Neben dem Berufsorientierungsprojekt „Jugend & Zukunft“ bietet die ÖKKH mit einem Mentoring-Lehrgang auch die Möglichkeit, aktuell betroffene junge PatientInnen an den kinderonkologischen Stationen zu unterstützen. Ein Projekt von großer Bedeutung, das gerade in Planung ist, präsentierte Kienesberger mit besonderer Freude: die ZONE, das „Zentrum für onkologische Nachsorge Erwachsener“. Sie soll zur zentralen Schnittstelle für Survivors aus ganz Österreich werden, um den reibungslosen Übergang von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin zu ermöglichen. Die anwesenden MedizinerInnen appellierten an die Survivors, sich dafür einzusetzen, dass ihr Bedarf an Nachsorge und Transition gedeckt werden kann. „Die Arzte alleine schaffen es nicht, die Nachsorge abzudecken. Es fehlt einfach an Kapazität. Die Survivors werden gebraucht, sie müssen eine eigene Lobby werden und sich für ihre Bedürfnisse stark machen!“ Und genau dafür setzen sich die Survivors Österreich und ihre Landesgruppen in den Bundesländern ein.